Oury Jalloh – 18 Jahre politisches Versagen

Henriette Quade
PressePresserklärungen LT Presse für JL-WebsiteHenriette Quade

Am 7. Januar 2023 jährt sich der Tod von Oury Jalloh zum 18. Mal. Dazu erklärt die innenpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE im Landtag von Sachsen-Anhalt, Henriette Quade:

»Am Samstag kommen in Dessau wie in jedem Jahr Menschen zusammen, um an Oury Jalloh und an seinen Tod in einer Dessauer Polizeizelle zu erinnern. Seit 18 Jahren fordern sie Aufklärung. Seit 18 Jahren arbeiten Freunde und Familie mit der Initiative in Gedenken an Oury Jalloh mit Hilfe von Brandsachverständigen, Expert:innen, Jurist:innen und Menschenrechtsaktivist:innen an der Aufarbeitung, die Staat, Justiz und eine politische Mehrheit in Sachsen-Anhalt schuldig bleiben. Wir danken Ihnen und allen, die in Dessau und andernorts mit Demonstrationen und Kundgebungen an Oury Jalloh erinnern.

Sie waren es, die Aufklärung immer wieder vorangetrieben haben und vor Augen führten, dass die ausgebliebene juristische Aufarbeitung des Todes Oury Jallohs kein Scheitern, sondern Verweigerung ist. Nie lagen so viele Fakten auf dem Tisch, die zeigen, dass sich Oury Jalloh nicht selbst angezündet haben kann, wie heute. Im Jahr 2021 wurde das Gutachten des Brandsachverständigen Ian Peck vorgestellt. Auch bisher war die These, Oury Jalloh habe sich selbst angezündet, durch nichts belegt und durch viele bekannte Fakten, wie das fehlende Feuerzeug und die toxikologischen Befunde, erschüttert. Mit diesem Gutachten wurde sie endgültig unhaltbar, denn es weist nach, dass ein Brandbild wie in der Zelle, in der Oury Jalloh starb, nur mit der Verwendung von Brandbeschleuniger zu erreichen ist. Das deckt sich auch mit bisherigen Untersuchungen und toxikologischen Gutachten. Es macht klar: Nichts am Tod von Oury Jalloh ist aufgeklärt. Sämtliche bekannten Fakten sprechen dafür, dass Oury Jalloh getötet wurde.

Eine politische Konsequenz aus diesem skandalösen Befund sucht man vergebens: Immer wieder entschied eine politische Mehrheit in Sachsen-Anhalt gegen einen Untersuchungsausschuss. Zuletzt verweigerte die SPD den von ihr selbst versprochenen Untersuchungsausschuss mit Verweis auf vermeintliche Erfolge, die sie in den Koalitionsverhandlungen erzielt habe. Politische Aufarbeitung, gerade weil juristische Aufklärung nicht greifbar ist, wurde damit zum Gegenstand im Koalitionspoker gemacht und politisches Versagen fortgesetzt. Damals versprochene Befragungen und Gespräche im Rechtsausschuss gab es bis heute nicht, ebenso wenig wie einen unabhängigen Polizeibeauftragten.

Politische Aufarbeitung des gesamten polizeilichen Handelns gegenüber Oury Jalloh wäre aber umso nötiger, weil es sich eben nicht um einen Einzelfall handelt: In Dessau starben 2 weitere Menschen in oder unmittelbar nach polizeilichem Gewahrsam. Rechtswidriges Verhalten, überbordende Gewalt, rassistische Diskriminierungen durch Polizist:innen und an schweigenden oder lügenden Polizist:innen scheiternde Aufklärung sind ein grundsätzliches Problem weit über Dessau hinaus. Das fehlende politische Problembewusstsein und der Mangel an effektiven Beschwerde- und Kontrollmechanismen macht sie zum strukturellen Problem. Der Jahrestag des Todes von Oury Jalloh muss deshalb auch Anlass sein, diese Defizite in den Blick zu nehmen und endlich politisch zu bearbeiten. Interkulturelle Trainings, Sensibilisierungs- und Fortbildungsmaßnahmen sind gut und nötig. Sie sind aber keine adäquate Antwort auf Polizeigewalt Rassismus. Bildungsarbeit muss ins Leere laufen, wenn es sich um ein Problem der Haltung und der mangelnden Kontrolle handelt.

Der 7. Januar mahnt deshalb nicht nur zur Erinnerung – er mahnt zum Handeln.«

 

Am 7. Januar findet ab 14 Uhr die Gedenkdemonstration der Initiative in Gedenken an Oury Jalloh statt. Treffpunkt: Hauptbahnhof, Dessau

Das Multikulturelle Zentrum Dessau organisiert zudem ab 11 Uhr eine Gedenkveranstaltung an der Treppe des Polizeireviers, in dem Oury Jalloh starb.