Gedenken anlässlich des fünften Jahrestags des antisemitischen Anschlags in Halle
Erklärung zum 5. Jahrestag des rechtsextremen Anschlags von Halle und Wiedersdorf des Stadtvorstands und der Stadtratsfraktion Die Linke Halle.
Zum 5. Jahrestag des rechtsextremen Anschlags von Halle und Wiedersdorf erklären der Stadtvorstand und die Stadtratsfraktion Die Linke Halle:
Am 9. Oktober 2019 starben Jana Lange und Kevin Schwarze durch eine bis heute unfassbare Tat. Sie wurden kaltblütig von einem rassistischen und antisemitischen Gewalttäter erschossen, der zuvor daran scheiterte, schwer bewaffnet in die Synagoge im Paulusviertel einzudringen und sich dann den Kiez-Döner in der Ludwig-Wucherer-Straße zum Ziel machte. Wir gedenken Jana Lange und Kevin Schwarze und stehen dafür ein, dass die Erinnerung an sie und ihren schrecklichen Tod nicht verblasst. Wir sind in Gedanken bei ihren Familien, Angehörigen und Freunden.
Das Leben von Jana Lange und Kevin Schwarze endete am 9. Oktober 2019. Das Leben vieler weiterer Verletzter und Überlebender des Anschlags wurde für immer schwer überschattet. Die Blutspur des Täters zog sich damals weiter über die Magdeburger Straße bis nach Wiedersdorf im Saalekreis. In der Synagoge – seinem eigentlichen Ziel – wollten zum Zeitpunkt der Tat über 50 Jüdinnen und Juden friedlich den höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur feiern und mussten angstvolle, traumatisierende Stunden erleben. Der Anschlag von Halle und Wiedersdorf führte in erschreckender Weise vor Augen, wie gefestigtes rechtsextremes Gedankengut in reale rechtsextreme Gewalt umschlug. Entsetzen, Trauer und Schockstarre aber auch große Anteilnahme und Solidarität bestimmten in den folgenden Tagen und Wochen das Leben in Halle. In der Stadt und weit darüber hinaus wurden vielfältige und deutliche Zeichen gegen Rassismus, Antisemitismus und Menschenhass, für Toleranz, Weltoffenheit und Vielfalt gesetzt. Nie wieder sollte sich so eine Tat in Halle oder anderswo wiederholen.
Fünf Jahre nach dem Anschlag von Halle und Wiedersdorf scheinen die Erinnerung an die Tat, an ihre Unfassbarkeit und an ihr menschenverachtendes Motiv zu verblassen. Die Zahl rechtsextremer und antisemitischer Straftaten hat seitdem deutschlandweit zugenommen. Der gesellschaftliche und politische Diskurs ist zunehmend durch Hasssprache, Diffamierungen, Lügen und das Bedienen von Ängsten und Vorurteilen geprägt. In Halle und ostdeutschlandweit zieht eine als gesichert rechtsextremistisch eingestufte Partei als stärkste Kraft in Kommunal- und Landesparlamente ein. Rechtsextremes und antisemitisches Gedankengut haben sich bis in die Mitte der Gesellschaft durchgefressen und werden zunehmend normalisiert. Es herrscht in weiten Teilen ein politisch-gesellschaftliche Klima, das Taten wie den Anschlag von Halle und Wiedersdorf den Boden bereitet.
Die Herausforderung für eine friedliche, weltoffene und vielfältige Stadt zu kämpfen, in der sich eine Tat wie die vom 9. Oktober 2019 niemals wiederholen wird, ist so groß wie nie. Für Die Linke Halle bedeutet das, dass wir uns in der Stadtgesellschaft und im Stadtrat entschieden gegen Rechtsextremismus und Antisemitismus stark machen. Wir stehen für Initiativen ein, die Demokratie, Vielfalt, Integration und Toleranz fördern und unterstützen zivilgesellschaftlichen Protest gegen Rechtsextremismus und Menschenfeindlichkeit. Unser politisches Handeln ist daran orientiert, der Gesellschaft den Nährboden für Hass, Gewalt und Menschenfeindlichkeit zu entziehen. Hierfür gilt es vor allem, soziale Verwerfungen entschieden anzugehen und sie politisch zu lösen bevor sie in fataler Weise instrumentalisiert werden.
Wir danken allen Initiativen, die im Gedenken an die Folgen des Anschlags für die Betroffenen das Erinnern bewahren. Nicht zuletzt muss es in unserem und im Interesse der Stadt liegen, das Gedenken und die Erinnerung an den Anschlag vom 9. Oktober 2019 nicht nur an den Jahrestagen aufrecht zu erhalten, zu pflegen und in der Stadtgesellschaft zu verankern. Dazu gehört immer, die Perspektive der Opfer und Betroffenen des Anschlags und ihrer Angehörigen zu verstehen, einzunehmen und in die Stadtgesellschaft zu spiegeln.