Statement zur heutigen Sondersitzung des Stadtrates

Dieser Beitrag hätte als Redebeitrag von Stadtrat Hendrik Lange zur heutigen Sondersitzung des Stadtrates zum halleschen Impfskandal gehalten werden sollen. Aufgrund der Zeitbegrenzung ist das nicht passiert. Wir erhalten ihn allerdings aufrecht und möchten ihn hier zugänglich machen.

Der Hallesche Impfskandal mag mit Blick auf die Bundesrepublik kein Einzelfall sein. Es mag so sein, dass keine strafrechtlich Relevanz darin liegt. Aber nichts davon relativiert die moralische Dimension des Handelns der Akteure. Die Impfordnung, die durch Bundesgremien bestätigt wurde, hat als oberstes Ziel diejenigen zu schützen, die von einer Covid-Erkrankung am stärksten betroffen wären und um ihr Leben fürchten müssen. Solange diese Gruppe nicht geimpft und geschützt ist es in meinen Augen und nach Auffassung meiner Fraktion moralisch verwerflich, egoistisch und verantwortungslos sich impfen zu lassen, obwohl man nicht an der Reihe ist. Und es ist moralisch verwerflich, diese Impfung zuzulassen. Ja, keine Impfdosis darf verworfen werden. Und ja, es darf diskutiert werden, ob die Entscheidungsträger, die den Laden am Laufen halten sollen, nicht auch eine höhere Priorität haben sollten. Es ist aber anders entschieden. Bei den riesengroßen Belastungen, die den Menschen durch die Pandemie aufgebürdet werden brauchen wir: Transparenz, Solidarität, Nachvollziehbarkeit der Maßnahmen und Vertrauen in die Behörden. Dieses Vertrauen ist durch das Handeln des OB und der Akteur*innen bei vielen Menschen verloren gegangen und der Aufklärungswille ist nicht vorhanden. Mit der moralischen Dimension des Handelns gehen die Akteur*innen höchst unterschiedlich um. Dafür, dass sich ein solches System jedoch etablieren konnte, ist einzig und allein der OB verantwortlich. Nichts von diesen Dimensionen in der Verwaltung und im Katastrophenstab passiert ohne seine Einwilligung. Er hat die Hauptverantwortung und die Aufsicht. Und es hat den Anschein, als wäre der von ihm erwählte Kreis von Personen auch mit der Sehnsucht nach dem eigenen Schutz vor der Seuche auf die Liste im OB Büro gesetzt worden. Allein das wäre ein Grund für seinen Rücktritt.

Und es bleiben Fragen, die wir weiter klären werden. Wurden Impfdosen absichtlich über das Maß der zu Impfenden angesetzt und aufgezogen? Waren wirklich keine anderen Personen der Kategorie 1 erreichbar. Das ist ziemlich unwahrscheinlich bei dem großen Kreis der Personen in der Stadt und im Falle des OB durch die Meldungen von Leser*innen bei der MZ wiederlegt. Wir werden auch alles daran setzen in der Stadt und im Land herauszufinden, ob wirklich nur 29 Personen auf der Liste nicht der Kategorie 1 zuzurechnen sind. Sollte sich herausstellen, dass es ein System der Günstlingswirtschaft gab, dann ist der Rücktritt des OB Wiegand unumgänglich – oder es muss ein Abwahlverfahren geben. Über die Disziplinarrechtlichen Dimensionen wird das LVWA befinden. Jedem, der dieses System mit aufgebaut hat muss sich aber im Klaren sein, dass seine Position durch den OB eher in Gefahr gebracht wird, als er sich selbst in Verantwortung nimmt. Jeder, der die unbequemen Fragen beantworten muss, aber im Auftrag des OB gehandelt hat, sollte daher an der Aufklärung mitwirken. Wir müssen verloren gegangenes Vertrauen zurück gewinnen. Ob uns das gelingen kann, entscheidet unser Handeln. Ob es uns gelingt, entscheiden die Menschen in unserer Stadt.