Leitantrag an den Stadtparteitag vom 14. Juni 2025
Vertrauen, Verankerung, Veränderung
Die vergangenen Monate waren in vielerlei Hinsicht besonders. Viele hundert neue Mitglieder bereichern unseren Stadtverband. Mit deutlich über 900 Mitgliedern sind wir mitgliederstärkste Partei unserer Stadt. Gemeinsam mit enthusiastischen Sympathisant:innen und tatkräftigen Genoss:innen führten wir einen überaus lebendigen Wahlkampf. So konnten wir uns in Halle wie bundesweit aus dem vorausgegangenen Stimmungstief kämpfen. Mit 15,3 Prozent erreichten wir im Wahlkreis Halle ein sehr gutes Ergebnis, im Gebiet unserer Stadt lag das Zweitstimmenergebnis mit 17,4 Prozent noch darüber. Im Bereich der Innenstadt waren wir nach Zweitstimmen mit Werten um 30 Prozent überwiegend sogar stärkste Kraft. Halles Stimme im Bundestag ist eine linke Stimme. Das in uns gesetzte Vertrauen der Wähler:innen wie der neu zu uns gestoßenen Genoss:innen, das sich in diesen Zahlen ausdrückt, begreifen wir als Chance für einen Aufbruch und als Mandat für eine aufrichtige linke Politik in Halle und Berlin.
Es lässt sich trotz des Wahlerfolges für Die Linke nicht darüber hinwegsehen, dass die übrigen Wahlergebnisse erschrecken. In einigen Teilen unserer Stadt gibt nur jede zweite wahlberechtigte Person ihre Stimme überhaupt ab. Die Zustimmung für ausgrenzende Politik und rechtsextreme Narrative ist dabei bedrohlich hoch. Während die sogenannten Parteien der Mitte mit ihrer Politik der Kürzung und des sozialen Rückschritts weiter das Vertrauen in demokratische Strukturen verspielen oder aktiv schädigen, stellt sich für unseren Stadtverband die zentrale Herausforderung, dieses zu festigen und über unsere Wähler:innenschaft hinaus zurückzugewinnen. Die Kernaufgabe für die politische Arbeit in der kommenden Zeit heißt, Vertrauen in demokratische Politik wieder aufzubauen. Dabei müssen wir zugleich zeigen, dass unsere linken Ansätze einen Unterschied machen. Das erreichen wir mit Verankerung im Alltag der Menschen, durchsetzungsfähigen Initiativen im Sinne der Mehrheit und glaubwürdigem Handeln.
Veränderung ist möglich, wenn es uns gelingt eine breite Mehrheit zusammenzuschließen. Wir wollen eine Plattform dafür sein, sich politisch zu organisieren. Als Linke sind wir dann erfolgreich, wenn es uns gelingt, jene, die sich um ihre Zukunft sorgen, mit denen zu verbinden, die nach einem solidarischen Miteinander streben. Gemeinsam sind wir stark und kämpfen für Veränderung, die mit Vertrauen und Verankerung Hand in Hand geht.
Die Hoffnung vor Ort organisieren
Die Linke Halle (Saale) sind ihre Mitglieder. Nur durch ihr zahlreiches und leidenschaftliches Engagement sind wir eine starke linke Stimme in unserer Stadt. Unser Einsatz für soziale Gerechtigkeit für alle, die dem kapitalistischen Wettbewerb ausgeliefert sind, ist so vielfältig wie unsere Mitglieder selbst: auf den Straßen, in den Betrieben, in den Parlamenten, in Vereinen, Initiativen und darüber hinaus.
Wir verstehen uns auf Bundesebene wie vor Ort als organisierende Klassenpartei. Das heißt: Wir machen Politik im Interesse der Mehrheit der Gesellschaft. Denn wir stellen im Großen wie im Kleinen die Frage nach den Eigentumsverhältnissen, die unser derzeitiges Wirtschaftssystem begründen. Gegen die gesellschaftliche Spaltung bringen wir alle Menschen zusammen, denen bei aller Unterschiedlichkeit eines gemeinsam ist: Dass sie von den andauernden Krisen des Kapitalismus nicht profitieren wie der kleinste Teil der Gesellschaft, sondern immer stärker benachteiligt werden. Das betrifft die übergroße Mehrheit, die gezwungen ist, ihre Arbeitskraft zu verkaufen, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Wir verstehen uns auch vor Ort als Interessenvertretung der vielen und gründen darauf unsere politische Praxis. Wir ermutigen diese vielen, mit unserer Partei direkt vor Ort gemeinsam für ihre Interessen einzutreten.
Für eine langfristige und erfolgreiche politische Arbeit unseres Stadtverbands ist die Stabilisierung einer tragfähigen lokalen Struktur die Grundlage. Diese wollen wir nachvollziehbar und motivierend für alle Genoss:innen und potentiellen Mitstreiter:innen ausgestalten. Demokratische Teilhabe Vieler ist Voraussetzung für die inhaltliche Berücksichtigung und Abbildung verschiedener Perspektiven in unserer Politik.
Was wir in den letzten Monaten begonnen, haben wollen wir mit Leidenschaft weiterführen: Unsere neuen Genoss:innen heißen wir herzlich willkommen und eröffnen ihnen und all jenen, die mit uns gemeinsam kämpfen, Räume und Möglichkeiten unterschiedlichsten politischen Engagements. Unser Stadtverband ist ein Ort des Ermöglichens und der gegenseitigen Unterstützung. In den letzten Monaten konnten im Zusammenwirken zahlreicher Mitglieder und Mandatsträger:innen Arbeitsgemeinschaften neu gegründet werden, die unsere politische Aktivität thematisch erweitern und festigen. Auch unsere Sprechstunden und das Angebot konkreter Unterstützung haben wir verstetigt und weiter ausgebaut. Mit unserer wöchentlichen Sprechstunde, der Unterstützung in konkreten Fragen zu Wohn- und Heizkosten, der Beratung zu allen Herausforderungen des Alltags oder mit der Aktion gegen die diskriminierende Bezahlkarte organisieren wir eine solidarische Antwort auf die Verrohung des politischen Diskurses unserer Zeit. Durch die Stärkung unserer Ortsverbände, Arbeits- und Interessengemeinschaften arbeiten wir kontinuierlich an einer Linken, die vor Ort in den Vierteln verankert ist, in allen Lebenslagen hilft, gemeinsam kämpft und organisiert.
Wir wollen unseren Stadtverband zugänglicher gestalten. Gemeinsam mit unseren Mitgliedern arbeiten wir daran, unsere Arbeitsgruppen, Gremien und Veranstaltungen so zu strukturieren, dass arbeitende Menschen, Menschen mit Migrationsgeschichte oder ohne akademische Abschlüsse, Eltern oder Menschen mit Behinderungen in unserer Gemeinschaft wirken können. Zugänglichkeit bedeutet dabei auch, Kenntnisse für politische Teilhabe zu fundieren: Wissen zu kommunaler Politik und politischer Arbeit, dass in unserem Stadtverband über Jahrzehnte durch engagierte Genoss:innen erarbeitet wurde, geben wir an nachfolgende Generationen und weniger erfahrene Genoss:innen weiter. So befähigen wir uns, proaktiv politische Verantwortung und Mandate zu übernehmen und sichern unsere politische Arbeit für die kommenden Jahre langfristig ab.
Eine wichtige Säule einer starken Linken vor Ort bleibt die Arbeit unserer Stadtratsfraktion. Auch sie profitiert vom Aufschwung unserer Partei. Unsere Stadträtinnen und Stadträte setzen unsere programmatischen Ziele in konkrete kommunalpolitische Initiativen und Beschlüsse um. Unterstützung erfahren sie dabei durch Ideen und Input zahlreicher Arbeitsgruppen und vieler neuer Mitglieder mit unterschiedlichsten Perspektiven. Die inhaltliche Arbeit der Stadtratsfraktion kann auf ein breites und stabiles Fundament zurückgreifen. Dies ist umso wichtiger, da der politische Rechtsruck und zunehmend schwierige Mehrheitsverhältnisse unter starkem rechts-konservativem Einfluss auch den Stadtrat Halle erreicht haben. Seit Ende März hat Halle zudem einen Oberbürgermeister, der bisher weniger durch Haltung und Verlässlichkeit denn durch klare Angebote zur Zusammenarbeit auch mit der extremen Rechten aufgefallen ist.
Mit unserer parlamentarischen Arbeit im Stadtrat stehen wir letztlich vor den gleichen großen Aufgaben wie auf der Straße und vor Ort in den Quartieren. Wir müssen Ansprechpartner sein und konkrete Lösungen und Initiativen umsetzen, die das Leben der Menschen in Halle sozial gerechter gestalten. Wir müssen uns dem Rechtsruck entgegenstellen und verhindern, dass die Demokratie von ihren Feinden ausgehöhlt und zerstört wird. Wir sind überzeugt, dass das erste das zweite bedingt. Sozial im Stadtrat heißt für uns vor allem, gutes und bezahlbares Wohnen für alle Hallenser:innen in den Fokus zu nehmen und die kommunalen Wohnungsgesellschaften zu unterstützen. Wir setzen uns für die Stärkung der Kinder-, Jugend- und Senior:innenarbeit in Halle ein. Eine vielfältige Kultur-, Sport- und Vereinslandschaft verstehen wir als unentbehrlichen Faktor des gesellschaftlichen Zusammenhalts. Wir kämpfen für den Erhalt von Präventions- und Hilfsangeboten für bedürftige Menschen.
Der Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen muss Ziel auch und besonders in unserer Stadt sein. Wir setzen uns für den Erhalt und die Vermehrung unseres Stadtgrüns ein. Unsere Wälder müssen aktiv umgebaut werden, um sich an den Klimawandel anpassen zu können. Die Wärmewende unterstützen wir aktiv und setzen dabei auf die Roadmap unserer kommunalen Stadtwerke. Die Linke steht für eine Verkehrswende mit einem gut ausgebauten ÖPNV, sicherem und schnellen Rad- und Fußverkehr. Wir machen Umweltthemen vor Ort greifbar und erarbeiten Lösungen, die von der Mehrheit der Menschen als Gewinn an Lebensqualität empfunden werden.
Die strukturelle Unterfinanzierung und hohe Verschuldung der Stadt Halle steht für unsere Arbeit im Stadtrat zunehmend häufiger als „Totschlagargument“ im Raum. Der Einsatz für eine gerechte finanzielle Ausstattung der Kommunen durch Land und Bund ist für ein lebenswertes Halle, für Demokratie und gesellschaftlichen Zusammenhalt essentiell, also auch essentielle Aufgabe für uns als Linke.
Durch eine Kultur des gemeinsamen Lernens stärken wir einen Stadtverband, der durch Austausch, Debatte, Reflexion und kompetente Genoss:innen auf allen Strukturebenen in der Lage ist, eine erfahrbare Veränderung durch solidarische Politik zu erkämpfen. Wir organisieren die sorgende Gesellschaft gegen die herrschende Politik der Vereinzelung.
Eine starke Linke im Landtag von Sachsen-Anhalt
Am 6. September 2026 wird in unserem Bundesland die nächste Landtagswahl stattfinden. Nur eine starke linke Opposition kann einer erwartbar erstarkenden Rechten eine soziale Antwort und echte Handlungsperspektiven entgegensetzen. Die Linke wird eine zentrale Rolle als Gegengewicht zur unsozialen Politik der Konservativen und ausgrenzenden Politik der Rechtsextremen einnehmen. Nur wir können in Halle und Sachsen-Anhalt ein substantielles Angebot für all jene machen, die sich eine solidarische Politik des gesellschaftlichen Zusammenlebens ersehnen, oder die besorgt auf die Herausforderungen des Alltags im kapitalistischen Wettbewerb blicken. In den kommenden Monaten werden wir deshalb den Fokus darauf legen, unsere Vorstellungen einer erreichbaren gerechten Gesellschaft in Form von glaubhaften Erzählungen und fassbaren Kampagnen konkret zu machen. Als demokratische Sozialist:innen denken wir dabei über den Wahltag hinaus und richten unseren Plan entsprechend langfristig aus.
In gemeinschaftlicher Arbeit unserer Genoss:innen im Stadtverband, dem Landesverband und Sympathisant:innen entwerfen wir zur Umsetzung dieses Plans eine Strategie mit Zielrichtung der Landtagswahl. Wir bringen langjährige Expertise in Belangen der Landespolitik mit einem weitreichenden Erfahrungsschatz organisierender Kampagnen und dem enthusiastischen Engagement vieler hundert Genoss:innen und Sympathisant:innen zusammen. Auf dieser Grundlage erstellen wir einen umsetzbaren Plan mit gewinnbaren Zielen und prägnanten Inhalten. Dabei gehen wir aktiv auf die Hallenser:innen zu, sind aktiv in den Vierteln und suchen den Kontakt zu zivilgesellschaftlichen Initiativen. Wir stärken Demokratie und machen Politik anders. Deshalb erstellen wir unser Wahlprogramm nicht über die Köpfe der Menschen vor Ort hinweg, sondern verleihen ihnen mit Hilfe einer intensiven Haustürkampagne Gewicht. Derart schließen wir an die erfolgreichen Erfahrungen des vergangenen Wahlkampfes vor Ort und bundesweit an.
Die Erfahrungen der vergangenen Monate zeigen auch, dass die Fokussierung auf wiedererkennbare Kernthemen und Positionierungen zielführend ist. Auf dieser Grundlage erarbeiten wir eine schlagkräftige Kampagne, die unseren sozialen Kernthemen in den Fokus setzt. Als moderne sozialistische Klassenpartei nehmen wir die arbeitenden Menschen und ihr Alltagsverständnis in den Fokus unserer Politik. Insbesondere Frauen, die häufig neben der Lohnarbeit den Großteil familiärer Sorgearbeit leisten, tragen die Lasten der aktuellen kapitalistischen Wirtschaft auf ihren Schultern. Ihnen unterbreiten wir priorisiert ein authentisches politisches Angebot. Gleichzeitig legen wir den Blick unserer Politik auf die Menschen, die ihre Arbeitskraft in unserer Stadt verkaufen wollen oder müssen: ob in der Pflege, der Logistik, der Industrie, als Angestellte oder Selbstständige. Die Repräsentation eben jener Menschen der arbeitenden Klasse ist unser politischer Auftrag. Diesen klassenpolitischen Ansatz stellen wir zusammen mit dem Kampf um gute Arbeitsplätze und bezahlbares Wohnen als Kernproblem der Mehrheit in den Fokus und machen Die Linke als glaubwürdige Vertretung der Interessen dieser Mehrheit stark.
Mit unseren Kandidierenden für die voraussichtlich vier Wahlkreise im Stadtgebiet stellen wir uns vielfältig und breit auf. Für unser Team für Halle setzen wir auf die gegenseitige Ergänzung von Erfahrung und Erneuerung, Stabilität und Wandel, Verankerung und Aufbruch. Unsere Kandidat:innen für die Wahlkreise wollen wir auf einem nächsten Stadtparteitag im Herbst diesen Jahres bestimmen. Rechtzeitig wollen wir dafür einen transparenten Prozess und die Vorstellung aller Bewerber:innen ermöglichen. Das schließt auch ein, interessierte Genoss:innen zur Kandidatur durch Informations- und Bildungsangebote zu befähigen. Mindestens in einem Wahlkreis erproben wir – über die ersten Gespräche für unser Wahlprogramm hinaus - die Fortführung einer intensiven strategischen Wahlkampagne in Anlehnung an bemerkenswerte bisherige Erfolge wie im vergangenen sächsischen Landtagswahlkampf in Leipzig Mitte-Ost oder den gewonnenen Direktmandaten zur Bundestagswahl in Berlin. Der Stadtverband erarbeitet zudem einen Kandidaturvorschlag für eine Spitzenkandidatur auf der Landesliste. Auch die Unterstützung der uns umgebenden Kreise des ländlichen Raums denken wir in unserer Planung mit und bieten unsere Unterstützung an.
Den Aufschwung aus der Bundestagswahl und das bundesweite Comeback der Linken müssen wir nutzen und auch kommunal- und landespolitisch festigen. Wir sind lautstarke Opposition und soziale Alternative gegen Sozialabbau, Kürzungspolitik und Infrastrukturverfall. Vor uns stehen große Herausforderungen, denen wir gestärkt und geeint, mit innerparteilicher und außerparteilicher Solidarität, als Plattform aller progressiven gesellschaftlichen Kräfte gewachsen sind. Geschlossen kämpfen Basis, Vorstand, Mandatsträger:innen und Landesverband gegen den Rechtsruck und für ein solidarisches Gesellschaftsmodell. Gemeinsam geben wir auch in Halle und Sachsen-Anhalt den Menschen wieder Hoffnung.