Erinnern und Handeln: Zum 9. Oktober 2019

Fraktionsartikel für das Amtsblatt für September/Oktober 2020.

Noch immer betroffen blickt die Fraktion auf den Terroranschlag vom 9. Oktober 2019, bei dem die Jüdische Gemeinde und der Kiez-Döner in Halle angegriffen, Jana L. und Kevin S. ermordet und viele weitere körperlich und seelisch verletzt wurden. Es ist wichtig, dass die Opfer beim Gedenken im Mittelpunkt stehen. Täter sollten nicht genannt werden und keine Bühne bekommen. Die Gesellschaft muss diese Bühne denjenigen bieten, die von diesem brutalen Antisemitismus und Rassismus bedroht werden. Es gilt zuzuhören, wenn Betroffene auf die immer noch vorhandenen menschenfeindlichen Grundlagen der Tat aufmerksam machen. Unser politisches Handeln muss sich solidarisch mit ihnen zeigen.

Nach wie vor gibt es Drohungen, Verhetzungen, Beleidigungen und Angriffe. Viele dieser Taten passieren im Umfeld der Aufmärsche um Sven Liebich, der gerade wegen Volksverhetzung verurteilt wurde. Obwohl dessen Umtriebe offensichtlich menschenverachtend sind, kann er weiterhin ungehindert hetzen. Trotz etlicher politischer Appelle, trotz Hinweisen von Betroffenen, Verfahren und Anzeigen schöpft die Versammlungsbehörde ihre Mittel aus unserer Sicht nicht aus. Dadurch lässt sie es mit zu, dass ein Jahr nach dem Anschlag antisemitische und rassistische Propaganda nahezu täglich in der Mitte von Halle stattfinden und dass sich jüdische und migrantische Menschen auf dem Markt nicht mehr sicher fühlen. Sie trägt damit auch zu einer Normalisierung von Positionen bei, die potentiell zu Gewalt führen. Wir fordern die Behörde auf, die Umtriebe von Liebich klarer als bisher zu analysieren, die gegebenen Möglichkeiten, dagegen vorzugehen, sensibler zu prüfen und zu nutzen.

Denn die Grundlagen für ein konsequentes Vorgehen sind schon vorhanden. Entsprechend braucht es seitens der Stadtverwaltung auch keine Änderung der Marktsatzung. Inwiefern rechte Anschläge und Hetze unsere Demokratie beschädigen können, hängt immer auch von unserer Reaktion ab. Wenn wir es hinnehmen, dass ein Faschist den Marktplatz zur Gefahrenzone macht, Nazis sich bewaffnen, Synagogen bedroht und Menschen diskriminiert werden, dann bietet diese Demokratie für immer größere Teile der Gesellschaft keine Sicherheit mehr und verrät ihre Werte. Der 9. Oktober mahnt zum Erinnern und Handeln.