Statement des Stadtvorstands zur Debatte um Demonstrationen zu Israel/ Palästina

Wir haben uns bis jetzt nicht geäußert, weil wir die Situation in Halle als schwer einschätzbar und äußerst angeheizt empfinden. Uns liegen Berichte von kritischen und neutralen Beobachter*innen sowie Teilnehmer*innen vor, die sich massiv widersprechen. Dazu gibt es immer wieder Berichte von Übergriffen, Drohungen und Beleidigungen von der jeweils einen oder anderen Seite. So soll einerseits im Vorfeld ein Pro-Palästina-Treffen in einem linken Projekt eingeschüchtert und bedroht worden sein. Teilnehmer*innen der Demonstration sollen bis ins Private hinein verfolgt worden sein. Andererseits gibt es Berichte, dass die Gegendemonstrant*innen pauschal als “Faschisten” beleidigt worden sein sollen. Außerdem wären sie als Feind*innen markiert und ebenfalls abfotografiert und bei Social Media veröffentlicht worden. Das ist nur ein Ausschnitt aus dem, was uns erreicht hat. Auch die scheinbar obligatorische Sachbeschädigung am Linken Laden hat bereits stattgefunden – nicht zum ersten Mal im Kontext innerlinker Auseinandersetzungen in Halle.

 

Dieser Konflikt hat uns politisch gelähmt und uns dazu veranlasst, vorsichtig vorzugehen und immer wieder neu nachzudenken. Die Frage dabei war: Hilft eine Positionierung wirklich weiter oder heizt sie die Lage weiter an, wird zum Ausgangspunkt weiterer Übergriffe?

Die Situation in Halle trifft dabei auf eine gesamtgesellschaftliche Situation, in der manche US-Präsident Biden für seine Kritik an Netanjahu schon zum Freund der HAMAS oder den Linken Bernie Sanders für seine ausgleichende Position zum "linken Gesicht des Völkermords" erklären. Wir hoffen, dass unser Zögern dabei nachvollziehbar ist. Gleichzeitig wissen wir natürlich auch, dass das ein schwaches Argument darstellt. Es ist normal, von einer Partei eine klare Positionierung zu erwarten und es gab die berechtigte Aufforderung dazu, der wir nun nachkommen wollen.

 

Die Linke steht auf Stadt-, Landes- und Bundesebene zum Existenzrecht Israels. Israel ist auch eine Antwort auf das deutsche Verbrechen der Shoah, es ist der Staat der Überlebenden, es ist Schutzraum für jüdische Menschen weltweit. Daran ändert der aktuelle Krieg nichts, weil es eine grundsätzliche Position ist: Die Existenz von Antisemitismus macht die Realität dieses Schutzraums notwendig. Ausgangspunkt für jede Positionierung zum Nah-Ost-Konflikt kann für uns nur sein, die Staatlichkeit Israels anzuerkennen und aus den Erkenntnissen linker Zionist*innen abzuleiten, dass Israel das Ergebnis der Verteidigung gegen das Menschheitsverbrechen des deutschen Faschismus und der Zionismus damit auch eine Emanzipationsbewegung für jüdische Menschen ist.

 

Eine Linke auf dieser Grundlage kann alles andere kontrovers hinterfragen und für einen gerechten Frieden in der Region eintreten: Die Rolle Deutschlands beim aktuellen Gaza-Krieg, die fehlende humanitäre Hilfe, die abzulehnende Invasion in Rafah, die Gewalt rechter Siedler*innen im Westjordanland, die rechtsextreme Blockade von Hilfslieferungen oder die Beteiligung rechtsextremer Minister an der aktuellen israelischen Regierung.

 

Diese Kritik im Konkreten und das Bekenntnis zum Existenzrecht Israels gehören für uns zusammen. Weil man Israel immer auch mit der weltweiten antisemitischen Bedrohung und dem Kampf dagegen betrachten muss. Für diese Position werben wir in unserer Mitgliedschaft und machen deutlich, dass wir als Partei auf dieser Grundlage handeln. Demonstrationen gegen den Krieg unterstützen wir nur dann, wenn das garantiert ist. Demonstrationen, wie sie hier diskutiert werden, unterstützen wir als Partei deshalb nicht und formulieren eine Kritik an entsprechenden Positionen.

 

Gleichzeitig lehnen wir Gewalt, Bedrohungen und Beleidigungen ab – gerade innerhalb der politischen Linken darf der Zweck nicht das Mittel rechtfertigen.