SPD muss Wort halten – Untersuchungsausschuss zum Todesfall Oury Jalloh

Henriette Quade, Stefan Gebhardt

Im Juli 2020 hatte der SPD-Landesvorstand den Beschluss gefasst und erklärt, die SPD werde unmittelbar nach der Landtagswahl die Einsetzung eines Parlamentarischen Untersuchungsausschusses zum Fall Oury Jalloh beantragen. Nun drohen Partei und Fraktion ihr Wort zu brechen. Die SPD verweigert sich Beratungen für die gemeinsame Einsetzung eines Untersuchungsausschusses mit den Fraktionen DIE LINKE und Grünen. Dazu erklären Henriette Quade, innenpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE und Stefan Gebhardt, Landesvorsitzender DIE LINKE Sachsen-Anhalt:

»Die Fraktionen SPD und Grüne haben bereits vor Wochen von uns die Einladung erhalten, mit einem gemeinsamen Antrag per Minderheitenrecht einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zum Todesfall Oury Jalloh einzusetzen. Während die Grünen sofort ihre Bereitschaft erklärt hat, war die SPD-Fraktion nicht zu einer Festlegung bereit. Inzwischen liegt ein Schreiben der SPD-Landesvorsitzenden vor, in welchem die SPD darauf verweist, dass eine Einigung zu einem unabhängigen Polizeibeauftragten im Entwurf des Koalitionsvertrags festgeschrieben ist und weiterhin die Möglichkeit besteht, Zeug*innen-Befragungen zum Fall Oury Jalloh im Rechtsausschuss durchzuführen. Einen gemeinsamen Antrag zur kommenden Sitzung des Landtags erteilt die SPD allerdings eine deutliche Absage.

Der Polizei- und Justizskandal um den Tod von Oury Jalloh im Gewahrsam der Landespolizei in Dessau und die damit zusammenhängenden Fälle Hans-Jürgen Rose und Mario Bichtemann harren seit mehr als einem Jahrzehnt der Aufklärung. Dem Versagen von Exekutive und Judikative droht nun ein Versagen der letzten staatlichen Gewalt zu folgen, dem Landtag. Ohne die Stimmen der SPD ist derzeit, wie in der vergangenen Legislatur, keine ausreichende Anzahl von Abgeordneten bereit, einen Minderheiten-PUA einzusetzen – durch die jahrelange Blockade der CDU ist ein solcher Parlamentarischer Untersuchungsausschuss der demokratischen Fraktionen nur mit ihren Stimmen möglich. Bricht die SPD jetzt ihr Wort, setzen sich „15 Jahre Schande“, wie es DIE ZEIT betitelte, fort und das Vertrauen in den Rechtsstaat bleibt nachhaltig erschüttert. Wir wollen aufklären, wie es über so einen langen Zeitraum zu diesem fundamentalen Versagen rechtsstaatlicher Institutionen in Sachsen-Anhalt kommen konnte und sehen darin auch die Verantwortung des Parlaments.

Der Verweis der SPD auf mögliche Einigungen in einer kommenden Koalition verknüpft unzulässig Regierungshandeln sowie die Aufgaben und Rechte des Parlaments. Das Parlament als Verfassungsorgan hat mit dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss das Recht, komplexe Sachverhalte, deren Untersuchung im öffentlichen Interesse liegt, aufzuklären. Das ist im Fall Oury Jalloh dringend überfällig und wird mit jedem weiteren Jahr, das verstreicht, schwieriger. Für die Angehörigen und alle, die auf Aufklärung hoffen, ist die Situation schon seit langem unerträglich – sie kämpfen seit Jahren für die Aufklärung. Dabei dürfen wir sie nicht im Stich lassen. Wir fordern die SPD auf, Wort zu halten und gemeinsam mit uns und den Grünen einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss einzurichten. Dieser kann auch nicht durch eine etwaige einmalige Befragung im Rechtsausschuss ersetzt werden, die zudem vom guten Willen der Landesregierung abhängen würde. Das Gutachten der Sachverständigen kann keineswegs ein Schlussstrich sein. Im Gegenteil: Wenn juristische Aufklärung scheitert, ist politische Aufarbeitung umso wichtiger. Das wäre die Aufgabe eines Untersuchungsausschusses.

Die Mitglieder der SPD bitten wir, gegenüber der Fraktion eindringlich darauf zu pochen, dass die SPD ihr Wort nicht bricht und die parlamentarische Untersuchung endlich möglich macht – unabhängig von Vereinbarungen zur Regierungsbildung.«

Unter folgendem Link finden Sie auf Seite 7ff. des Stenografischen Berichts die entsprechende Rede von Henriette Quade „Kein Schlussstrich im Fall Oury Jalloh“ vom September 2020: https://padoka.landtag.sachsen-anhalt.de/files/plenum/wp7/109stzg.pdf